11.54 Uhr: Das Schiff schwimmt!
"BM 5247" Kapitän glücklich, Retter gerührt: das Happy End an der Elbe.

Von Heiner Schmidt

 

Gemeinsam haben sie die Bergung gestartet, gemeinsam feiern sie jetzt den Erfolg.
Gemeinsam haben sie die Bergung gestartet, gemeinsam feiern sie jetzt den Erfolg. Foto: Bodig

Schnackenburg - Als es endlich geschafft ist, gibt es Applaus im Schnackenburger Deichvorland, Freudenrufe, erleichtertes Schulterklopfen. Bergungsleiter Hans-Hermann Mietz steht die Rührung ins Gesicht geschrieben. "Das ganze Team hat toll gearbeitet", sagt er.

Der Mann aber, der den meisten Grund zum Jubel hat, bleibt auch jetzt bescheiden und zurückhaltend: Wlodzimierz Rosik, der gestrandete Binnenschiffer von Schnackenburg (Landkreis Lüchow-Dannenberg), lächelt nur leise, als er mit seinem Schiff gestern um 11.54 Uhr endlich wieder frei auf der Elbe schwimmt - mehr als 300 Tage nachdem er es nachts versehentlich aufs Ufer gesetzt hat. Die Anspannung des 57-Jährigen löst sich erst gut eine Stunde später. Da liegt die "BM 5247" sicher vertäut im Hafen. "Ich bin sehr, sehr glücklich", sagt Rosik, lächelt wieder sein feines Lächeln und formt Zeige- und Mittelfinger zum Victory-Zeichen.

Schon zwölf Stunden zuvor hatte es kaum noch einen Zweifel gegeben, dass die Bergung gelingen würde. Die Helfer vom Technischen Hilfswerk (THW) hatten die 180 Tonnen Stahl des 57 Meter langen Schiffs in der Nacht mit einem Bergepanzer, einem Radlader und einem Lkw weit in den Fluss hineingeschoben. Nur der Bug lag noch auf dem Ufer.

Der letzte Teil der "Operation Heimfahrt" ist trotzdem noch einmal ein Kraftakt: Der Eisbrecher "Seebär" zerrt am Heck des Binnenschiffs, ein THW-Boot drückt es in die Strömung, am Bug schiebt der Radlader - eine Stunde lang, dann bricht am Deich der laute Jubel aus.

"Es hat zwar ein paar unvorhergesehene Probleme gegeben und ein bisschen länger gedauert als geplant, aber das Wichtigste ist: Wir haben es geschafft", sagt Bergungsleiter Mietz. Alle am Deich wissen: Ohne die Tatkraft des THW-Chefs von Salzwedel (Sachsen-Anhalt) läge "BM 5247" immer noch auf dem Trockenen. Als das Wasser der Elbe stieg, entwarf Mietz ein Konzept, trommelte gut 70 THW-Leute aus Sachsen-Anhalt und Niedersachsen zusammen und fing vor sechs Tagen einfach mit der Bergung an, obwohl deren Finanzierung noch gar nicht gesichert war.

Fünf Minuten nachdem der Job erledigt ist, denkt Mietz schon wieder ans Arbeiten: "Wir müssen aufräumen. Danach gibts aber auch noch ein Bierchen." Rosiks Schiff wird derweil vom Eisbrecher in den Schnackenburger Hafen geschleppt. Nun ist der polnische Kapitän endlich dort, wo er am 21. März 2003 hinwollte, als er bei Hochwasser die Hafeneinfahrt verpasste und strandete. Jetzt erlebt er noch eine Schrecksekunde: Am Bug dringt Wasser in den Rumpf. Eine Pumpe muss her.

Erst als auch das erledigt ist, kann Rosik sich wirklich freuen. Zurück im Deichvorland nimmt der Kapitän den Chef-Berger dankbar in den Arm, noch einmal schlagen Männerhände auf Männerschultern. Ein paar Flaschen Wodka für die Retter hat der Binnenschiffer schon vorher besorgt.

Wann er ins heimatliche Bydgosczc (Bromberg) tuckern wird, weiß Rosik noch nicht. Taucher sollen jetzt das Schiff untersuchen, vielleicht muss es in die Werft. Wasser und Treibstoff wird der Schiffer in Schnackenburg übernehmen. Den Motor muss er zum Laufen bringen. Der Eisgang auf den polnischen Kanälen ist eine unüberwindliche Hürde auf dem Heimweg. Und eines weiß Wlodzimierz Rosik ganz genau: "Ich komme bestimmt zurück nach Schnackenburg."

erschienen am 29. Jan 2004 in Norddeutschland im Hamburger Abendblatt